Die „Gesellschaftswissenschaften“ fassten in den realsozialistischen Ländern die Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen – als die Wissenschaften von der Gesellschaft, die nicht in idealistischer Tradition unterschieden werden sollten zwischen den Wissenschaften von den Ideen und den Wissenschaften vom Handeln. Normativ – und im Rahmen des staat-gewordenen Sozialismus unaufgebbar – waren die zugehörigen Fächer an den Marxismus-Leninismus als „wissenschaftliche Weltanschauung“ gebunden. Seit 1990 hatten sie ihre staatlich unterhaltenen Strukturen verloren, verbunden mit massenhafter Exklusion ihres Personals aus den (dann neu aufgebauten) Institutionen. Zugleich aber entfalteten die DDR-Gesellschaftswissenschaften ein postmortales Nachleben, vor allem in Gestalt der Dokumentation ihrer Hinterlassenschaften, wissenschaftlicher Erkundungen durch Dritte, Sicherung von Datenbeständen sowie der Erfahrungen ihrer Protagonisten, selbstreflexiver Autobiografien und reflexionsentlasteter Darstellungen, aber auch der Bildung eigener Strukturen mit Vereinen, Veranstaltungen und Zeitschriften. Das Projekt untersucht die DDR-Gesellschaftswissenschaften als politisch-epistemisches Ereignis, dessen Charakteristika sich nur erschließen lassen, wenn die Analyse der Originaltexte und des nicht durch Zensur und Selbstzensur gefilterten Nachlebens miteinander kombiniert werden.
Buchpublikationen und Forschungsberichte
Peer Pasternack: Die DDR-Gesellschaftswissenschaften post mortem: Ein Vierteljahrhundert Nachleben (1990–2015). Zwischenfazit und bibliografische Dokumentation, unt. Mitarb. v. Daniel Hechler, Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2016, 613 S. ISBN 978‐3‐8305‐3620‐8 mehr...