Staatlich finanzierte wissenschaftliche Einrichtungen stehen unter charakteristischem doppelten Legitimationsdruck: Einerseits müssen sie im institutionellen Wettbewerb Organisationsinteressen bedienen und Aufmerksamkeit für eigene wissenschaftliche Leistungen generieren; andererseits erwarten gesellschaftliche Teilöffentlichkeiten die glaubwürdige Vermittlung relevanter wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Wahrung wissenschaftlicher Integrität. Diese strukturelle Spannung zwischen organisations- und gesellschaftsbezogenen Zielen wird durch die zunehmende Medialisierung der Wissenschaft verstärkt, die Skepsis an der Uneigennützigkeit wissenschaftlicher Kommunikation nährt.
Einen analytischen Ausweg bietet die systematische Untersuchung dialogorientierter Kommunikation mit spezifischen Teilöffentlichkeiten auf der organisationalen Mesoebene. Diese zwischen individuellen Wissenschaftlern und dem Gesamtwissenschaftssystem vermittelnde Ebene entwickelt spezifische Legitimationsstrategien, deren Potenzial zur Überbrückung des Widerspruchs zwischen Wissenschafts-PR und substanzieller Wissensvermittlung bislang unzureichend analysiert wurde. Allerdings erfordern transformative Kommunikationsansätze geeignete organisationale Strukturen und Governanceformen, da Wissenschaftler nicht beliebig für organisationale Kommunikationsanliegen mobilisiert werden können.
Das Habilitationsprojekt konzeptualisiert Wissenschaftskommunikation aus governancetheoretischer Perspektive als komplexes adaptives System und untersucht in vier komplementären Fallstudien verschiedene organisationale Akteure der Mesoebene: Preprint-Archive, Citizen-Science-Verbünde, Begleitstellen der Forschungsförderung und Hochschulkommunikationsabteilungen. Als zentrale Forschungslücken werden dabei Aufgabenteilung und Partizipationsorientierung organisationaler Wissenschaftskommunikation, deren strukturelle Bedingungen und Legitimationswirkungen sowie das Verhältnis von Wissenschaftskommunikations- zu anderen organisationalen Aufgaben identifiziert.
Ziel der Untersuchung ist es, differentielle Legitimationsmuster der Mesoebene zu identifizieren und deren systemische Wechselwirkungen zu rekonstruieren. Hieraus soll ein theoretisches Modell entwickelt werden, das legitimatorische Funktionen der Wissenschaftskommunikation systematisch mit organisationalen Strukturen und adaptiven Anpassungsstrategien verknüpft und sowohl theoretische Einsichten als auch praktische Implikationen für die Gestaltung effektiver Kommunikationsstrategien aufzeigt.
Veröffentlichungen im Rahmen des Habilitationsprojekts
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Henke, Justus (2025): Strategic Interactions in Science Communication: A Complex Adaptive Systems Framework, in: Science Communication/2025. DOI: 10.1177/10755470251363825.
- Justus Henke (2025): The new normal: The increasing adoption of generative AI in university communication, in: Journal of Science Communication 24(2), A07. https://doi.org/10.22323/2.24020207
- Justus Henke (2025): Wissenstransfer in staatlichen Förderprogrammen der Bildungs , Wissenschafts und Hochschulforschung: Zielsetzungen, Formen und Wirkungen von Begleitmaßnahmen, in: Beiträge zur Hochschulforschung 2/2024, S. 54-78. Download
- Justus Henke (2024). Navigating the AI era: university communication strategies and perspectives on generative AI tools. in: Journal of Science Communication 23(03), A05. https://doi.org/10.22323/2.23030205
- Justus Henke (2024): Public Engagement with COVID-19 Preprints: Bridging the Gap Between Scientists and Society. in: Quantitative Science Studies, 5 (2), S. 271–296. https://doi.org/10.1162/qss_a_00302
- Justus Henke (2022): Can Citizen Science in the Humanities and Social Sciences Deliver on the Sustainability Goals?, in: Sustainability 2022, 14, 9012. DOI: https://doi.org/10.3390/su14159012
- Göbel, Claudia / Sylvi Mauermeister / Justus Henke (2022): Citizen Social Science in Germany—cooperation beyond invited and uninvited participation, in: Humanities and Social Sciences Communications 1/2022. https://doi.org/10.1057/s41599-022-01198-1.
Vorträge und Präsentationen
- Justus Henke (2024): Präsentation „Die Akteure der Wissenschaftskommunikation Welche Interessen leiten sie und welche Wirkungen können sie erzielen? Eine systemtheoretische Betrachtung“, Konferenz „WissKomm Connected“ der TransferUnit, 11.-12. September, Berlin
- Henke, Justus (2023): Wissenschaftskommunikation als Antwort auf die Legitimationskrise? Die Rolle der Meso-Ebene, BMBF Lunch Talk „Wissenschaftskommunikation“, 16.10.2023, Download
- Henke, Justus (2023): Legitimation von Forschungsförderung durch Wissenstransfer. Das Beispiel der Förderprogrammkoordination, 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung, Osnabrück, 11.9.2023
- Justus Henke (2022): „Preprints als Medium der öffentlichen Debatte um Covid-19. Beobachtungen zur Entdifferenzierung der Wissenschaftskommunikation“, 17. GfHf-Jahrestagung, 16.9.2022, Wien.