Der ostdeutsche Wissenschaftsumbau in den 90er Jahren ist inzwischen ein zeithistorisches Thema. Dennoch wird er in jüngerer Zeit intensiviert zu einem Gegenstand öffentlicher Debatten und der Forschung, was aus Gegenwartsinteressen gespeist ist: Der Wissenschaftsumbau gilt als einer der Vorgänge, der in seiner Konfliktintensität herangezogen werden müsse, wenn man die anhaltenden Verwerfungen innerhalb der ostdeutschen Teilgesellschaft verstehen möchte. Dabei hatte er nicht nur, entgegen landläufiger Wahrnehmungen, eine strukturelle und eine personelle Dimension. Wer den Vorgang angemessen erfassen möchte, muss zwei weitere Dimensionen einbeziehen: die kulturelle und die inhaltliche. Die Betrachtung dieser insgesamt vier Dimensionen wird zusammengeführt und ergänzt um eine Analyse der handlungsprägenden, d.h. prozessbegleitenden und -motivierenden, sowie der retrospektiven Deutungen des ostdeutschen Wissenschaftsumbaus.
Zur Vorgeschichte des ostdeutschen Wissenschaftsumbaus
In den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten sind zwar rund 4.800 Buchpublikationen zur Entwicklung von Wissenschaft und Hochschulen in der DDR erschienen. Doch während es zu zahlreichen Lebensbereichen und Handlungsfeldern in der DDR mittlerweile zusammenfassende Überblicksdarstellungen gibt, ist dies für das Hochschul- und Wissenschaftssystem bislang noch nicht der Fall. Weder gibt es eine Darstellung zu Wissenschaft und Hochschulen für den Gesamtzeitraum 1945 bis 1989 noch eine für alle Segmente des Wissenschaftssystems (Hochschulwesen, Forschungsakademien, Ressortforschung, Industrieforschung), folglich auch keine, die beides miteinander kombiniert. Um dem zumindest vorläufig abzuhelfen, wird diese einführende Kompaktdarstellung vorgelegt. Sie soll insbesondere denjenigen, die sich – etwa im Rahmen einer Studienabschlussarbeit – das Thema DDR-Wissenschaft überblicksweise erschließen müssen, dazu eine effektive Möglichkeit geben. Zu diesem Zweck schlägt die Darstellung zwei Sichtachsen durch das Dickicht der Zeiten, Strukturen und Prozesse: Zum einen wird eine chronologische Schilderung geliefert, die nach Jahrzehnten gegliedert ist. Zum anderen werden bedeutsame Querschnittsthemen in ihren Entwicklungen über die 45 Jahre SBZ und DDR hinweg beleuchtet: die Wissenschaftsstrukturen, das Verhältnis von Wissenschaftsalltag und Politik sowie das Leistungsprofil der DDR-Wissenschaft. Dabei finden sich jeweils strukturelle, personelle, kulturelle und inhaltliche Aspekte behandelt. Unter anderem wird erstmals eine Gesamtabschätzung des Forschungspersonals, das 1989 in allen Segmenten des DDR-Wissenschaftssystems tätig war, vorgenommen – eine Abschätzung, die erstaunlicherweise und trotz aller Debatten über den Personalabbau in der ostdeutschen Wissenschaft bislang fehlte.
Buchpublikationen und Forschungsberichte
Peer Pasternack: Hochschule und Wissenschaft in der DDR 1945–1989. Ein kurzer Abriss (HoF-Handreichungen 17), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2024, 162 S. ISBN 978-3-937573-98-4 mehr...
Peer Pasternack: 35 Jahre nach dem Transformationsbeginn. Die ostdeutsche Wissenschaft, in: Forschung & Lehre 10/2024, S. 748–749.