Grundlegend zu unterscheiden sind Bürokratie, Bürokratisierung und Bürokratismus. Im Anschluss daran lassen sich Bürokratie als rationale Verwaltung und Bürokratie als Bürokratismus voneinander absetzen. Das ist die Voraussetzung für Entbürokratisierung. Manche Entbürokratisierungsmaßnahmen werden erst längerfristig wirksam. In diesen Fällen können sie politisch unattraktiv sein. Salopp gesagt: Den damit verbundenen Ärger hat man sofort, der Nutzen zeigt sich erst später. Deshalb muss Bürokratieabbau institutionell gestärkt werden. An Hochschulen gelingt das nur dann, wenn er zum Anliegen der Hochschulleitung wird, also mit der nötigen Autorität ausgestattet ist. Zugleich braucht er strukturelle Verankerungen und Instrumente.
Es wird zunächst ein Modell eines Entbürokratisierungsprozesses entwickelt, das zweierlei in Rechnung stellt: Zum einen wird ein Großteil bürokratisierender Entwicklungen den Hochschulen zwar von außen auferlegt, aber die Hochschulen können auch erst einmal damit beginnen, das zu entbürokratisieren, was sie selbst verursacht haben bzw. verursachen. Zum anderen verblieben bisherige Entbürokratisierungsbemühungen regelmäßig in der Logik der Bürokratie selbst (und scheiterten deshalb), statt an der Logik der Leistungsprozesse, um derentwillen Hochschulen existieren, anzusetzen. Alternativ können drei Phasen absolviert werden:
- In einer ersten Phase wird das wissenschaftliche Personal von fehlplatzierten Tätigkeiten befreit. Sobald administrative Belastungen vollständig dort sind, wo sie hingehören – bei Hochschulverwaltung und -management –, wird die (Selbst-)Überforderung der Organisation unübersehbar. Das erzeugt die Chance, in einer zweiten Phase tatsächlich entbürokratisieren zu können.
- In der zweite Phase lassen sich dann Normenbestände, Aufgabenwahrnehmungen, Prozesse und Strukturen entschlacken. Da nun die Überfülle und Überkompliziertheiten so sichtbar sind, dass sie sich auch bei größter Anstrengung nicht mehr übersehen lassen, ist der Druck hinreichend groß, Entbürokratisierung tatsächlich in Angriff zu nehmen.
- Ist Phase 2 des Entbürokratisierungsprozesses abgeschlossen, kann gleitend in eine dritte Phase übergeleitet werden. In dieser geht es um sekundäre Anliegen, also gleichsam den Feinschliff, nachdem die prioritären Anliegen bereits erfolgreich bearbeitet worden sind. Zu diesem Zeitpunkt haben sich dann auch schon Entbürokratisierungsroutinen eingeschliffen, auf denen aufgebaut werden kann.
Da Bürokratisierung eine Tendenz zur schleichenden Wiederkehr innewohnt, braucht es Instrumente, dem entgegenzuwirken. Sodann wird das Modell eines Belastungsmonitorings entwickelt. Das Belastungsmonitoring stellt, wie ausdrücklich anzumerken ist, eine paradoxe Intervention dar: eine bürokratisch erscheinende Maßnahme als Voraussetzung, um bürokratische Belastungen zu begrenzen. Es gewinnt Plausibilität, wenn man sich eines vergegenwärtigt: Nur so ist die verstetigte Informationsbasis zu schaffen, welche die Dauerherausforderung Entbürokratisierung benötigt.
Schließlich werden in einer Toolbox Instrumente der Entbürokratisierung offeriert, die – häufig nichthochschulischen Bereichen entstammend – an Hochschulen gewinnbringend angewandt werden können. Der Sinn dieser Toolbox ist dabei ein doppelter: Sie soll die Spannweite von möglichen Instrumenten und Methoden verdeutlichen, und sie zugleich für die Anwendungsebene praxistauglich verknappen. Die Toolbox enthält sowohl bereits bekannte Methoden und Instrumente als auch Ansätze, die bislang eher im Verborgenen geblieben sind bzw. auf Erfahrungen in anderen Organisationstypen beruhen.
Zitation
Peer Pasternack / Philipp Rediger / Sebastian Schneider: Instrumente der Entbürokratisierung an Hochschulen (HoF-Handreichung 15), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2021, 119 S.
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