Traditionsbildung, Forschung und Arbeit am Image – Die ostdeutschen Hochschulen im Umgang mit ihrer Zeitgeschichte

Den 54 ostdeutschen Hochschulen wird häufig attestiert, sich nur unzureichend mit ihrer eigenen Vergangenheit in der DDR auseinanderzusetzen. Nicht nur während der politischen Umbrüche 1989 hätten sie abseits gestanden. Vielmehr sei auch in den Jahren danach kaum etwas unternommen worden, um ihre Rolle in der DDR glaubhaft und kritisch aufzuklären. Durchweg fehle der Wille zur Aufarbeitung. Solche Kritiken formulieren Eindrücke, nicht die Ergebnisse von Analysen. Diese liegt nun in einer umfassenden Monografie vor.

Die genauere Prüfung ergibt ein differenzierteres Bild. So haben die 54 ostdeutschen Hochschulen seit 1990 über 500 Bücher zu ihrer DDR-Geschichte veröffentlicht und fast einhundert zeitgeschichtliche Ausstellungen veranstaltet. Angesichts dessen lässt sich kaum davon sprechen, dass eine allgemeine zeitgeschichtliche Inaktivität grassiere. Probleme gibt es gleichwohl:

  • Die häufigsten Anlässe für entsprechende Initiativen sind dreierlei: Hochschuljubiläen, Skandalisierungen mit zeitgeschichtlichen Bezügen und starkes Engagement einzelner Akteure. Das ist ein Teil der Erklärung, warum die Kontinuität zeithistorischer Aktivitäten wenig ausgeprägt ist.
  • Zudem werden Darstellungen der Hochschulgeschichte typischerweise als Bestandteil der Imagebildung aufgefasst. Dementsprechend zielen sie auch auf die Vermittlung einer positiven Identität und eines vorteilhaften Images. Daher werden Konfliktthemen häufig abgeblendet.
  • Ein dritter Teil der Erklärung liegt im Organisationscharakter der Hochschulen. Zwar lassen Hochschulen organisationspolitisch eine intensive Befassung mit ihrer Zeitgeschichte erwarten: Auf diesem Wege ist Legitimation zu gewinnen, können Jubiläen inhaltlich aufgewertet werden und kann Havarien in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit vorgebeugt werden. Doch organisationspraktisch überwiegen die Gründe dafür, dass intensive Befassungen mit der eigenen Zeitgeschichte relativ unerwartbar sind: Wissenschaftsfreiheit, individuelle Autonomie der Wissenschaftler/innen, geringe Chancen der Reputationssteigerung durch lokal bezogene Aktivitäten, mangelnde Durchgriffsmöglichkeiten von Hochschulleitungen auf das wissenschaftliche Personal, Konflikte um ohnehin nicht auskömmliche Finanzmittel und sonstige Ressourcen, Planungsresistenz und chaotisches Entscheidungsverhalten als hochschulischer Normalzustand – all das steht dem entgegen.

Diese Einschätzungen werden gewonnen auf Basis detaillierter Erhebungen der Hochschulaktivitäten: Forschungsprojekte zur eigenen Geschichte, Publikationen, Ausstellungen, Veranstaltungen, die Aussagekraft der Homepages. Dabei wird zunächst die gesamte ostdeutsche Hochschullandschaft besichtigt. Anschließend werden auffällige Hochschulen gesondert betrachtet.

Zum Abschluss des Bandes werden Handlungsoptionen entwickelt. Diese folgen einem realistischen Ansatz: Wie kann unter Berücksichtigung einschränkender Rahmenbedingungen – z.B. Ressourcenproblemen – ein adäquater Umgang mit der hochschulischen Zeitgeschichte gefunden werden?

Ansprechpartner

Prof. Dr. Peer Pasternack |
Daniel Hechler M.A. |
Telefon: 03491 466254

Zitation

Daniel Hechler / Peer Pasternack (2013): Traditionsbildung, Forschung und Arbeit am Image. Die ostdeutschen Hochschulen im Umgang mit ihrer Zeitgeschichte, Akademische Verlagsanstalt, Leipzig, 505 S., ISBN 978-3-931982-75-1

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