Macht und Verständigung in der externen Hochschulsteuerung

Seit der Einführung von vertragsförmigen Vereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen um die Jahrtausendwende hat das Institut für Hochschulforschung die Entwicklung von Zielvereinbarungen und Hochschulverträgen dokumentiert und begleitet. Nun erscheint eine zusammenfassende Studie, in der die Vereinbarungen in das Modell des kooperativen Staates eingeordnet und Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Instrumente entwickelt werden.

Zielvereinbarungen und Verträge zwischen Staat und Hochschulen sind ein zentrales Element der politischen Hochschulentwicklung. In den kommenden zwei Jahren werden die Vereinbarungen in der Hälfte aller Bundesländer neu ausgehandelt. Dabei können Verhandlungen zwischen beiden Akteuren ebenso positionsbezogen geführt wie auch auf eine gemeinsame Verständigung ausgerichtet sein. Auf der Basis einer qualitativen Erhebung in zehn Bundesländern wird in der Studie gezeigt, wie nah positionsbezogenes Beharrungsvermögen und innovative Verständigung in der Vergangenheit lagen und wie zukünftig gezielt innovative Räume für eine gemeinsame Verständigung zwischen Staat und Hochschule geschaffen werden können. Vorgeschlagen wird insbesondere eine Analyse der Verhandlungsmodi in den einzelnen Bundesländern und eine Anpassung der Verhandlungsverfahren an die Inhalte der Vereinbarung.

Als Referenzrahmen für die Studie dient die von Arthur Benz entwickelte Theorie des „Kooperativen Staates“, von ihm zur Beschreibung von Verhandlungssituationen in anderen politischen Bereichen eingesetzt (1994). Benz unterscheidet dort zwischen drei „Verhandlungsmodi“:

  • Positionsbezogene Verhandlungen stehen im Prinzip in der Nähe hierarchischer Steuerungsverfahren. Der Verhandlungspartnerinnen und -partner bestehen auf ihren jeweiligen sachlichen Positionen, sind nicht zu Kompromissen bereit und erreichen Lösungen allenfalls im Rahmen von Tauschgeschäften. Ausschlaggebend für das Ergebnis ist die jeweilige Verhandlungsmacht.
  • Kompromissorientierte Verhandlungen sind an das Marktmodell angelehnt, in dem sich der Kompromiss in einem „Preis“ ausdrückt. Die jeweiligen Ansprüche werden schrittweise aneinander angepasst, bis eine für beide Seiten akzeptable Lösung erreicht wird.
  • Bei verständigungsorientierten Verhandlungen streben die Verhandlungspartnerinnen und -partner eine gemeinsame Lösung an, die auf einem „kollektiven Lernprozess“ beruht. In diesem Verhandlungsmodus können Lösungen erreicht werden, die weder ein Markt, noch eine hierarchische Steuerung ermöglichen, weil beide Seiten ihre jeweiligen Kompetenzen in einen gemeinsamen Lernprozess einbringen und ihre eigenen Positionen dabei auch verändern.

Auf methodischer Ebene weist die Studie damit einen Weg, die bisher relativ abstrakt beschriebenen vertragsförmigen Vereinbarungen zwischen Staat und Hochschulen auf der Ebene der handelnden Akteure genauer zu untersuchen und so Erfolgsfaktoren zu identifizieren. Sie ist ein Beitrag, die Lücke zwischen dem z.B. vom Wissenschaftsrat 2018 abstrakt formulierten Anspruch auf „wissenschaftsadäquate Governance“ und der praktischen Umsetzung in konkreten Verhandlungen empirisch zu verringern und so für die praktische Anwendung handhabbarer zu machen. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse erscheint es möglich, die hochschulpolitischen Instrumente sehr viel genauer zu vergleichen, auf die verschiedenen Steuerungsaufgaben abzustimmen und in die jeweilige Wissenschafts- und Governance-Kultur einzelner Bundesländer einzupassen.

Zitation

Karsten König (2021): Macht und Verständigung in der externen Hochschulsteuerung. Verhandlungsmodi in Zielvereinbarungen zwischen Staat und Hochschule, Universitätsverlag Webler, Bielefeld, 209 S., ISBN 978-3-946017-22-6.

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