Arbeitsplatz Hochschule und Forschung für wissenschaftliches Personal und Nachwuchskräfte

Kennzeichnend für die Entwicklung des wissenschaftlichen Personals an deutschen Hochschulen in den letzten Jahren war ein Bedeutungszuwachs von nebenberuflicher Tätigkeit, Teilzeitbeschäftigung, Befristung und Drittmittelfinanzierung. 2007 machten nebenberuflich Tätige ein Drittel des wissenschaftlichen Personals aus. Besondere Steigerungsraten hatte die Gruppe der häufig prekär beschäftigten Lehrbeauftragten zu verzeichnen. Bei zwei Fünfteln der hauptberuflichen wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen handelte es sich um Teilzeitkräfte. Unterhalb der Professur stellte Befristung den Regelfall dar: 7 von 10 dieser Wissenschaftler/-innen verfügten über keine langfristig gesicherte Perspektive. Fast die Hälfte von ihnen musste sich auf Grund von Drittmittelfinanzierung auf eine risikoreiche „Projektkarriere“ einstellen. Dieser Trend wird sich durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz weiter ausprägen. Der im internationalen Vergleich ohnehin schon relativ geringe Anteil der zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit berechtigten Beschäftigtengruppe – die der Professor/-innen – ist weiter gesunken: auf 15 Prozent des wissenschaftlichen Personals. Gleichzeitig hat sich die Betreuungsrelation Studierende je Professor/-in sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen in fast allen Fächergruppen verschlechtert. Im bundesweiten Durchschnitt kamen 2007/08 51 Studierende auf einen Professor. Die „rote Laterne“ tragen die universitären Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit einem Verhältnis von 102 zu 1. Frauen sind an der Spitze der Wissenschaftshierarchie mit einem Professorinnenanteil von 16 Prozent zwar noch immer unterrepräsentiert, doch geht inzwischen fast ein Viertel der Rufe an eine Wissenschaftlerin. Bei Promotionen liegt ihr Anteil bereits deutlich über einem Drittel (2007 36 Prozent). Ungeachtet der hohen Promotionsintensität und der relativ großen Betreuungszufriedenheit der Doktorand/-innen weist die Nachwuchsförderung Reformbedarf auf, denn nach Hochrechnungen wird schätzungsweise nur jede dritte Promotionsabsicht mit Erfolg umgesetzt. Die für eine Wissenschaftskarriere in Deutschland typische zweite akademische Hürde wird im Durchschnitt erst mit 41 Jahren gemeistert. Bleibt danach die erhoffte Berufung aus, fällt ein beruflicher Neustart außerhalb der Wissenschaft schwer. Der Fokus der aktuellen hochschulpolitischer Diskussion richtete sich auf die personelle Abdeckung des steigenden Lehr- und Betreuungsaufwands auf Grund wachsender Studienplatznachfrage. Ausschlaggebend hierfür sind die demografische Entwicklung, die Verkürzung der Schulzeit bis zur Erlangung der Hochschulreife auf 12 Jahre und die gewollte Annäherung der Studierendenquote an das EU-Niveau. Hinzu kommt der durch die Studienstrukturreform im Zuge des Bologna-Prozesses verursachte Betreuungsmehraufwand. Die vom Wissenschaftsrat geforderte Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium wird ohne Kapazitätsaufstockung und Personalstrukturreform nicht zu erreichen sein. Die Bundesländer sind längst dabei, ihre im Zuge der Föderalismusreform gewachsene Entscheidungskompetenz zu nutzen, um mittels Hochschulgesetzgebung und/oder Lehrverpflichtungsverordnung neue Personalkategorien mit Schwerpunkt Forschung oder Lehre einzuführen. Dabei werden den Hochschulen zum Teil beträchtliche Handlungsspielräume eröffnet. Die Lehrverpflichtung kann an der Universität für einen Hochschullehrer im Einzelfall auf bis zu 18 Semesterwochenstunden steigen, für einen wissenschaftlichen Mitarbeiters bei Bedarf auf bis zu 25. Angesichts der damit einhergehenden Reduzierung des Zeitbudgets für Forschung und eigene wissenschaftliche Qualifizierung sind Karrieresackgassen nicht auszuschließen. Denkbar ist aber auch, dass sich eine eigenständige Lehrkarriere etabliert. Von besonderem Interesse wird sein, wie zukünftig dem Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre entsprochen wird, welche Wertigkeit der Lehre im Vergleich zur Forschung beigemessen wird, in wie weit Durchlässigkeit im Beschäftigungssystem gegeben ist und ob es zu einem Auseinanderdriften von „männlicher“ Forschung und „weiblicher“ Lehre kommt.

Zitation

Roland Bloch / Anke Burkhardt (2010): Arbeitsplatz Hochschule und Forschung für wissenschaftliches Personal und Nachwuchskräfte (Arbeitspapier 207), Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, 113 S.

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