Politik und Wissenschaft in der DDR. Kontrastanalyse im Vergleich zur Bundesrepublik

In der DDR dominierte die Heteronomie das Verhältnis von Wissenschaft und Politik. Sie konnte nur im Einzelfall durch fortwährend prekäre Teilautonomie-Arrangements relativiert werden. In der Bundesrepublik ist die Autonomie der Wissenschaft nie grundsätzlich in Frage gestellt worden. Sie erfährt ihre Gefährdungen seltener durch eine übergriffige Politik als durch Usurpationen sektorenfremder Funktionslogiken, etwa denen des Marktes. Metaphorisch ließe sich auch formulieren: In der DDR trachtete die Politik danach, die Wissenschaft zu domestizieren. Die Wissenschaftler sollten sich den politischen Vorgaben, Abläufen und Ansprüchen unterwerfen – im Gegenzug wurden einige arttypische Eigenheiten zugestanden bzw. in Kauf genommen. In der Bundesrepublik war es durch die Jahrzehnte hin im Wesentlichen akzeptiert, dass die Wissenschaft ihr eigenes Habitat selbst organisiert. Die Politik erwartete zwar auch, dass Nützlichkeitserwartungen bedient werden. Sie baute aber im Wesentlichen darauf, dass die Erträge desto effektiver ausfallen, je restriktionsfreier sie zustande kommen. Erstaunen muss, dass trotz der Bedingungen, unter denen in der DDR Wissenschaft betrieben werden musste, in zahlreichen Bereichen beachtenswerte Forschungsergebnisse erzielt wurden – wobei diese Bewertung davon ausgeht, dass Beachtliches nicht erst dann erreicht wird, wenn Paradigmen umgestoßen und wissenschaftliche Revolutionen ausgelöst werden: Wissenschaft ist überall und systemunabhängig nur ausnahmsweise Spitzenwissenschaft. Insoweit ist solide Wissenschaft auch nicht allein solche, welche die Zeiten überdauert. Der größte Teil der Forschungsergebnisse erledigt sich allerorten durch die jeweils darauf aufbauenden nachfolgenden Arbeiten spätestens der nächsten Forschergeneration. Das haben ost- und westdeutsche Wissenschaft wiederum gemeinsam.

Buchpublikationen und Forschungsberichte

Peer Pasternack (2010): Wissenschaft und Politik in der DDR. Rekonstruktion und Literaturbericht (HoF-Arbeitsbericht 4/2010), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg, 79 S., ISSN 1436-3550, ISBN 978-3-937573-23-6  mehr...

Artikel (Auswahl)

Peer Pasternack (2012): Politik und Wissenschaft in der DDR. Eine Kontrastanalyse im Vergleich zur Bundesrepublik, in: Ders. (Hrsg.), Hoch­schul- und Wissensgeschichte in zeithi­s­torischer Perspektive. 15 Jahre zeitgeschichtliche Forschung am Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg (HoF), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2012, S. 35-37. Download