Professorinnen, Professoren, Promovierte und Promovierende an Universitäten. Leistungsbezogene Vorausberechnung des Personalbedarfs und Abschätzung der Kosten für Tenure-Track-Professuren

Welcher Bedarf an wissenschaftlichem Personal besteht an den Universitäten 2017 bis 2026, wenn zukünftige Leistungsanforderungen und bestimmte Qualitätsstandards berücksichtigt werden? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für das Finanzvolumen einer gezielten und bedarfsgerechten Förderung des Hochschullehrernachwuchses?

Zur Beantwortung dieser Fragen legt die aktuelle HoF-Studie eine Prognose des künftigen Personalbedarfs und der daraus folgenden Kosten für Tenure-Track-Professuren vor. Diese Prognose erfolgt mehrgleisig: auf Basis der Fortschreibung der Trends für das kommende Jahrzehnt, durch den Rückgriff auf vorliegende Prognosen und Modellrechnungen sowie durch die Operationalisierung hochschulpolitischer Ziele. Die zentralen Ergebnisse lassen sich – ohne Differenzierung nach Bundesländern, Fächergruppen und Geschlecht – wie folgt zusammenfassen:

  • Die verschiedenen Berechnungsvarianten stimmen dahingehend überein, dass der Studierendenbestand im kommenden Jahrzehnt durchgängig die Studierendenanzahl im Wintersemester 2014/15 übertreffen wird (wobei sich das verstärkte Flüchtlingsaufkommen in etwa zwei bis drei Prozent niederschlagen dürfte). Zu erwarten ist also ein anhaltendes Hochplateau in einer Größenordnung von bis zu 2,3 Mio Studierenden.
  • Bliebe die Anzahl der ProfessorInnen konstant auf dem Niveau von 2014, würde sich die Betreuungsrelation deutlich von derzeit 72 auf bis zu 90 Studierenden je Professor/in verschlechtern. Selbst die Fortschreibung der bisherigen, moderaten Steigerungsrate bei der Anzahl der ProfessorInnen würde nicht ausreichen, um die Betreuungsrelation auf dem aktuellen Niveau zu halten. Soll eine schrittweise Verbesserung der Betreuungsrelation in Anlehnung an die Verhältnisse z.B. an schweizerischen Universitäten realisiert werden, so müsste sich der Bestand an ProfessorInnen im Vergleich zu 2014 bis 2026 um 84 Prozent auf 43.300 UniversitätsprofessorInnen erhöhen.
  • Zur Deckung des Erweiterungsbedarfs und des altersbedingtes Ersatzbedarfs der ProfessorInnen werden 7.300 Tenure-Track-Professuren benötigt, wenn man zweierlei annimmt: Künftig werden sich etwa zwei Drittel der neu zu Berufenden auf diesem Weg für eine Lebenszeitprofessur qualifizieren, und es wird eine Berufungsquote von 85 Prozent realisiert. Da bereits knapp 1.600 JuniorprofessorInnen an Universitäten tätig sind, müssten zusätzlich rd. 5.700 Tenure-Track-Professuren eingeplant werden.
  • Unter der Annahme, dass die zu schaffenden Tenure-Track-Professuren je zur Hälfte nach W1 und W2 besoldet sowie haushaltsfinanziert mit einer WMA-Stelle, einer WHK im Umfang der Hälfte der regulären Arbeitszeit und einer Overhead-Pauschale in Höhe von 20 Prozent der Personalkosten ausgestattet wer­den, ergibt sich: Bei sechsjähriger Laufzeit ist mit einem durchschnittlichen Kostenvolumen von 1.085 Tsd. Euro je Professur zu rechnen.
  • Geht man davon aus, dass auch in Zukunft ein Fünftel der Promovierten den beruflichen Verbleib im universitären Bereich anstrebt, so ergibt sich mit Bezug auf die prognostizierte Entwicklung des Promotionsgeschehens und bei Annahme einer mindestens sechsjährigen Beschäftigungsdauer in der Postdoc-Phase: 2026 müssten für 43.000 Promovierte Beschäftigungsverhältnisse an Universitäten (einschließlich Tenure-Track-Professuren) zur Verfügung stehen.
  • Unter Berücksichtigung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung waren 2013 hauptberufliche wissenschaftliche Mitarbeiter/innen im Umfang von rd. 134.000 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) an Universitäten tätig. Legt man die zu erwartenden Drittmitteleinwerbungen und eine gleichzeitige Beschränkung des Drittmittelanteils an der Finanzierung des FuE-Personals auf 50 Prozent an, dann ergibt sich: Bis 2026 wird sich die Steigerung dieser Personalkapazität im Vergleich zu 2013 in der Spannbreite von 29 Prozent (um 39.000 VZÄ, bei Festschreibung der Lehrkapazität auf dem Niveau von 2013) bis 56 Prozent (um 75.000 VZÄ, bei prozentualer Steigerung der Lehrkapazität analog zur Entwicklung der FuE-Kapazität) bewegen.

Fazit: Im kommenden Jahrzehnt muss mit einem erheblichen Zusatzbedarf an Universitätspersonal gerechnet werden. Das gilt selbst bei Beschränkung auf relativ gesicherte Zukunftsszenarien und eine bloße Fortschreibung bisheriger Entwicklungstrends. Die Umsetzung erklärter hochschulpolitischer Ziele – wie der Anschluss an das internationale Niveau beim Hochschulzugang, die Verbesserung der Betreuungsrelation im Studium oder die Erhöhung der Attraktivität einer wissenschaftliche Karriere an Universitäten – wird ohne eine deutliche Aufstockung der Anzahl von unbefristeten Professuren, die Einführung von aufgabenadäquat ausgestatteten Tenure-Track-Professuren, die Erweiterung des Stellenbestandes für Promovierte unterhalb der Professur und den Ausbau von Beschäftigungsverhältnissen für DoktorandInnen nicht zu realisieren sein.

Zitation

Anke Burkhardt: Professorinnen, Professoren, Promovierte und Promovierende an Universitäten. Leistungsbezogene Vorausberechnung des Personalbedarfs und Abschätzung der Kosten für Tenure-Track-Professuren, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Frankfurt a.M. 2016, 67 S.

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