2002 wurde die Juniorprofessur in Deutschland eingeführt. Ursprünglich war sie als ausschließlicher Weg zur Universitätsprofessur gedacht. Die traditionelle Habilitation wurde jedoch nicht abgeschafft, ihre Monopolstellung indes relativiert. Daneben haben sich weitere Wege zur Professur aufgetan, wie die Leitungen von Forschernachwuchsgruppen. Die neue Vielfalt an Qualifizierungswegen macht Vergleiche möglich – und auch nötig.
In einer nun vorliegenden Studie wurden dafür qualitative berufsbiografische Interviews mit Juniorprofessor(inn)en, Nachwuchsgruppenleiter(innen) und wissenschaftliche Mitarbeiter(innen) geführt.
Dabei zeigte sich, dass die unklaren beruflichen Aussichten am stärksten zur Unzufriedenheit der Promovierten beitragen. Es gibt jedoch auch gruppenspezifische Probleme:
- Den Nachwuchsgruppenleiter(inne)n fehlen Regelungen zum Promotionsrecht. Generell kritisieren sie ihren ungeklärten Status in der Universitätshierarchie und damit zusammenhängend ihr eigentümliches Verhältnis zu ‚ihrer‘ Fakultät.
- Die wissenschaftlichen Mitarbeiter(innen) zeichnen sich durch eine strukturelle Abhängigkeit von ihrem Professor bzw. ihrer Professorin aus. Diese bestimmen oftmals durch ihr Verhalten die weiteren beruflichen Chancen der Promovierten, je nachdem, ob diese eine karriere-unterstützende Protektion erfahren – oder eben nicht.
- Eine ähnliche, wenngleich schwächere Abhängigkeit kann auch bei den Juniorprofessor(inn)en vorliegen. So ist ein Teil Juniorprofessor(inn)en formell an eine ordentliche Professur angebunden und wird in der Fakultät wie Mitarbeiter(innen) wahrgenommen. Andere nehmen sich als weitgehend eigenständig wahr. Gegenüber den Nachwuchsgruppenleiter(innen) fehlt den Juniorprofesor(inn)en die finanzielle Ausstattung, dafür sammeln sie reichlich Lehrerfahrung. Allerdings gehen das Engagement für die Lehre ebenso wie die Verwaltungs- und Gremienarbeit zeitlich auf Kosten der Forschung. Der Druck, Drittmittel zu akquirieren und Forschungsbefunde zu publizieren, wird als sehr präsent erlebt.
Doch mit dem bestehenden Druck kann umgegangen werden, solange eine positive berufliche Perspektive besteht. Die Promovierten auf dem Weg zu einer Professur befinden sich jedoch in einem „Hopp-oder-Top-Dilemma“: Entweder schaffen sie nach einer langen Qualifikationsphase den Aufstieg auf eine Professur, oder es droht ihnen der erzwungene Ausstieg aus dem Wissenschaftssystem. Nur eine grundlegende Reform der universitären Personalstruktur würde einen Ausweg aus diesem Dilemma schaffen können.
Diese müsste so aussehen: Es werden unbefristete Beschäftigungsverhältnisse für promovierte Wissenschaftler(innen) geschaffen, über deren Besetzung in einem strengen Auswahlverfahren entschieden wird. Da diese Stellen zu selbstständiger Forschung und Lehre berechtigen, wären hier nicht nur Forschungsleistungen, sondern auch die Lehrkompetenzen zu berücksichtigen. Die Stellen würden angemessen, aber im Vergleich zu einer W2- bzw. W3-Professur mit einem wesentlich niedrigen Einstiegsgehalt dotiert. Von dieser Position aus wären vielfältige und wiederum auswahlabhängige (auch temporäre) Aufstiegschancen innerhalb der eigenen Universität oder an einer anderen Einrichtung möglich.
Zitation
Martin Winter: Promovierte auf dem Weg zur Professur. Berufsbiografische Interviews mit Juniorprofessor(inn)en, Nachwuchsgruppenleiter(inne)n und habilitierenden wissenschaftlichen Mitarbeiter(inne)n, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2016, 99 S.
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