Fünf Jahrzehnte, vier Institute, zwei Systeme. Das Zentralinstitut für Hochschulbildung Berlin (ZHB) und seine Kontexte 1964–2014

1964 war das Institut für Hochschulpolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet worden. 2014 war das Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg (HoF) in seiner heutigen Form inhaltlich und organisatorisch konsolidiert. Dazwischen lagen noch zwei weitere Institute, sehr unterschiedliche Umfeldentwicklungen und mehrere krisenhafte Situationen, darunter ein Wechsel des Gesellschaftssystems. Diese Geschichte ist nun nachgezeichnet worden. Zu verfolgen sind so organisatorische, kulturelle und inhaltliche Kontinuitäten wie Brüche innerhalb zweier Gesellschaftssysteme und über den 1989er Systemwechsel hinweg: 25 Jahre vor und 25 Jahre nach der Implosion des DDR-Sozialismus.

 

1982 waren vier Einrichtungen zum Zentralinstitut für Hochschulbildung Berlin (ZHB) fusioniert worden. Damit entstand ein Großinstitut mit 230 Wissenschaftler.innen. 1991 schloss sich daran die Pro­jektgrup­pe Hochschulforschung Berlin-Karls­­­hor­­st an, die bis 1995 die ostdeutsche Hochschultransformation dokumentierte und erforschte. 1996 wurde das heutige In­­­stitut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg (HoF) ge­gründet. Vom ZHB ausgehend werden das wichtigste Vorgängerinstitut, das Umfeld sonstiger Forschungen über Hochschulen in der DDR incl. Wissenschaftsforschung und die sich in den 90er Jahren anschließenden Einrichtungen in den Blick genommen.

Das ZHB unterstand unmittelbar dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen und war insofern ein Ressortforschungsinstitut. Die Ressortforschung der DDR hat bislang wenig wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Doch setzte sich das DDR-Wissenschaftssystem nicht nur aus Hochschulen, Akademien der Wissenschaften und Industrieforschung zusammen, sondern auch aus Instituten, die der Regierung oder dem SED-Zentralkommitee zugeordnet waren: im ge­sellschaftswissen­schaft­li­chen Bereich ins­­­­gesamt 22. Wie in al­len Staaten, so galt auch in der DDR: Die entsprechenden Ein­richtungen wurden un­terhalten, um poli­tisch de­finierte Er­kennt­nisinteres­sen zu befriedigen.

Dort, wo die DDR-Hochschulfor­schung, ebenso die Wissenschaftsforschung, kritische Funktionen wahrnahm, ge­schah dies – ih­rem Kontext, Auftrag und Selbstverständnis ent­spre­chend – sy­s­tem­im­ma­nent (wie es für die mei­­ste so­zialwis­sen­­schaftliche Nor­­mal­wis­sen­schaft in allen Ge­sell­schaf­ten gilt). Die Bemühungen ziel­ten da­r­auf, im Rah­men des marxistischen Paradigmas gül­tige, d.h. wahrheits­­fä­hi­ge Aus­sagen zu pro­duzieren. Wo daraus Kon­flikte re­sul­tier­ten, lassen sie sich in der Re­gel als Sy­­s­temop­ti­mie­rungskonflikte kenn­­­­zeichnen. Der Streit mit den Funk­tionären ging um die Gestaltung des ge­meinsamen po­litischen Projekts, nicht um dessen In­fra­gestellung.

Die produzierten Texte machen es mit ihren DDR-spezifischen Denkweisen und Sprachre­gelungen dem heutigen Le­ser oft mühsam, aus den Texten das zu erschließen, was an Aufschlussreichem (auch) in ihnen steckt. Da die ver­klau­su­lie­ren­den Sprachregelungen aber auch implizit stan­dar­disiert waren, können sie mit­hilfe ei­nes Decodierungsschemas ent­schlüs­­­selt wer­den – was im Verlaufe des Buches geschieht.

Nach 1989 waren für die ostdeutsche Hochschul- als auch die Wis­­senschaftsforschung drei Entwicklungen kennzeichnend: in­s­ti­tutionelle Abbrüche, institutionelle Über­gangslösungen und Fortführungen so­­­wie das Entstehen von Strukturen in­ner­halb einer Zweiten Wissenschaftskultur als Reaktionen auf die Entinstitutionalisie­rung. Auch dies wird dargestellt, bevor resümierend und systemübergreifend Wandlungen der Denkstile und der Organisationskulturen analysiert werden.

Zitation

Peer Pasternack: Fünf Jahrzehnte, vier Institute, zwei Systeme. Das Zentralinstitut für Hochschulbildung Berlin (ZHB) und seine Kontexte 1964–2014, BWV – Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2019, 497 S. ISBN 978‐3‐8305‐3951‐3.

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