Workshop: Mehr digitalisierte Hochschulprozesse – weniger Hochschulbürokratie?

Die Leistungsprozesse an Hochschulen werden maßgeblich durch ihre organisatorischen Kontexte bestimmt, also durch rahmende und (möglichst) unterstützende Strukturen und Prozesse. Diese Kontexte werden im Zuge neuer Herausforderungen – etwa der Bologna-Reform-Bewältigung – neu gestaltet. Seit einigen Jahren antworten die Hochschulen auf solche Herausforderungen in zweierlei Weise: mit der Einrichtung von Hochschulmanagementstrukturen und mit Digitalisierungseuphorie. Sobald man diese Re­aktionen aber im Lichte der neueren Anforderungen betrachtet, stellt man fest: Zum einen ist ihre Gestaltung weithin suboptimal. Zum anderen ist das Wissen über ihre optimale Gestaltung erstaunlich eingeschränkt. Wie leicht zu erkennen, gibt es zwischen beiden Punkte Zusammenhänge. Ein in diesem Rahmen identifiziertes Problem besteht darin, dass an Hochschulen Ressourcenverluste insbesondere durch stetige Reibungen im Betrieb des elektronischen Hochschulökosystems auftreten. Ein Instrument, das in dem Zusammenhang mit hohen Erwartungen an die Effektivierung und Effizienzsteigerungen organisatorischer Prozesse befrachtet ist, sind Campus-Management-Systeme (CaMS).

Dies nahm das Institut für Hochschulforschung (HoF) zum Anlass, am 6.10.2016 an der Martin-Lu­ther-Universität Halle-Wittenberg einen Expertenworkshop zum Thema „digitalisierte Hochschulprozesse“ zu veranstalten. Der Workshop bot die Möglichkeit, Ex­pertise aus Wissenschaft, administrativer Hochschulpraxis und Digitalisierungsakteuren zu verknüpfen – in einer Konstellation, die sonst selten zusammenkommt.

Diskursive Zugänge zum Verständnis von CaMS und damit einhergehende Begrifflichkeiten waren Gegenstand eines ersten Impulsvortrages. In diesem Beitrag weitete Prof. Gunnar Auth (Hochschule für Telekommunikation Leipzig) den Horizont über das Verständnis von CaMS als Abdeckung des Student-Life-Cycle hinaus. Als Wirtschaftsinformatiker (und früherer Leiter eines Universitätsrechenzentrums) thematisierte er zudem die Erschließung von Nutzenpotenzialen und die Entwicklungslinien mit Blick auf Digitalisierungsprozesse. Nun bleibt die Entwicklung einer Prozessorientierung an Hochschulen und die Umsetzung bei der Einführung eines Campus-Management-Systems nicht ohne Spannungen. Aus diesem Grund nahm Dr. Markus Toschläger (Geschäftsführer der myconsult GmbH, Paderborn) in einem zweiten Impulsreferat das Spannungsfeld zwischen Prozessgestaltung und Informationstechnologie bei der Integration elektronischer Anwendungssysteme an Hochschulen näher in den Blick. Seine Hauptthese: Digita­lisierung löst keine Organisationsprobleme. Aus Sicht über 15jähriger Praxiserfahrun­gen verdeutlichte Toschläger damit einhergehende Herausforderungen und Hemm­nis­se so­wie kritische Erfolgsfaktoren.

Um spezifische Herausforderungen in der Anwendung von CaMS und daraus entstehende Wirkungen diskutieren zu können, schlossen zwei herausforderungszentrierte Arbeits­­gruppen an:

  • Ein ambitionierter Begriff im Diskurs über CaMS im Hochschulwesen ist der der „Integriertheit“ elektronischer Systeme. Es wurde deutlich, dass dabei Unklarheit darüber herrscht, welches Verständnis dieser Begriff eigentlich transportiert. Angesichts des in der Praxis oft inflationären Sprachgebrauchs, um sehr verschiedene Sachverhalte zu beschreiben, setzten sich die Experten mit Anspruch und Wirklichkeit des Begriffs aus­einander. Das Resümee: Das Versprechen der Integriertheit im Sinne einer Abbildungsvollständigkeit von Daten, Funktionen und/der Prozessen bleibt bisher eine Illusion.
  • Eine weitere zentrale Herausforderung in der Anwendung von CaMS stellt die Heterogenität der Usergroups und deren Nutzungsverhalten sowie die sich daraus ergebende Notwendigkeit, die Systeme spezifisch zu gestalten, dar. Konstatiert wurde eine hohe Erwartungshaltung der Anwender an die Systeme. Sowohl Ergonomie und Design als auch die Flexibilität in der Prozessanpassung seien ausschlaggebend dafür, organisatorische Entlastung zu gestalten. Darin, damit angesichts verschiedener Entwicklungsdynamiken von Hochschulen sowie der heute und fortdauernd unabschätzbaren Digitalisierungsveränderungen umzugehen, liege die Herausforderung

Der Workshop brachte letztlich sehr aufschlussreiche Kontraste und Perspektiven hervor. Diese zeigten deutlich, dass informationstechnologische Probleme an Hochschulen nicht losgelöst von Organisationsfragen zu betrachten sind, wie Prof. Peer Pasternack (HoF) in seinem Schlusswort hervorhob: Die Digitalisierungsexperten stoßen fortwährend an Grenzen der Organisationsgestaltung, und die Organisationsexperten identifizieren unablässig Grenzen digitaler Prozessgestaltungen.

Vorträge

  • Impulsreferat Gunnar Auth Download
  • Impulsreferat Markus Toschlaeger Download