Disruption oder Evolution? Systemische Rahmenbedingungen der Digitalisierung in der Hochschulbildung

Hochschulbildung wird sicher nicht durchdigitalisiert, aber in jedem Falle digital unterstützt. Dafür sind nicht nur technische Infrastrukturen aufzubauen. Vor allem sind einige Schnittstellen neu zu gestalten: zwischen Forschung, Lehre und Verwaltung sowie zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Diese Schnittstellen waren immer schon konfliktträchtig, und digitale Neuerungen können hier nun entschärfen oder verschärfen. Das wird sich an den systemischen Rahmensetzungen entscheiden. Daher wurden im Auftrag des BMBF die Kontextbedingungen der Digitalisierung in der Hochschulbildung ermittelt, beschrieben und analysiert.

Die Studie identifiziert und systematisiert relevante Einflussfaktoren digital gestützter Hochschulbildung, die durch politische Weichenstellungen beeinflusst werden können. Diese wurden fünf Dimensionen zugeordnet: Finanzierung, Recht, Technik und Infrastruktur, Organisation sowie Sozial-kulturelles. Insgesamt sind dabei 40 Faktoren als relevante systemische Rahmenbedingungen identifiziert worden. Unter diesen wurden zehn besonders wichtige Einflussfaktoren herausgearbeitet, die Stellschrauben für Zukunftsgestaltungen sind.  Für diese wurden Handlungsbedarfe abgeleitet:

  • In der Dimension Finanzierung sind befristete Förderungen zur Anschubfinanzierung der Transformationen in der digitalen Hochschulbildung und Erlöse aus kostenpflichtiger Weiterbildung besonders wichtige systemische Rahmenbedingungen.
  • In der Dimension Recht sind die Stellschrauben Open Access, Datenschutz und Harmonisierung der Landeshochschulgesetze als besonders wichtig identifiziert worden.
  • Bei Technik und Infrastruktur gehen die Faktoren Daten-/Netzinfrastruktur und Schnittstellen/Integration in die Liste der zehn wichtigsten Rahmenbedingungen ein.
  • In der Dimension Organisation wurden die Stellschrauben Steuerungsinstrumente und Hochschulstrategien als besonders wichtig ermittelt.
  • Die soziale und kulturelle Dimension steuert den Faktor Akzeptanz durch Lehrende zu den zehn wichtigsten Faktoren bei.

Die identifizierten Handlungsbedarfe umfassen ein breites Bündel an Gestaltungaspekten: etwa der Bedarf zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, der Ausbau der Weiterbildung zur Erschließung neuer Zielgruppen, Schutz vor Datenmissbrauch und Diskriminierung, Vernetzung lehr- und lernprozessunterstützender Technologien oder Ausgleichsmöglichkeiten für den Mehraufwand bei der Vorbereitung digitaler Lehrinhalte, um nur einige zu nennen. Bei der Gestaltung der zehn zentralen Faktoren ergeben sich zudem gegenseitige Wirkungsabhängigkeiten, die in der Studie erörtert werden: So kann etwa Entbürokratisierung der Lehrorganisation durch bessere Steuerung der digitalen Schnittstellen gelingen, die Flexibilisierung der Bildungsangebote durch die Förderung von Weiterbildung profitieren oder die Daten- und Netzinfrastrukturen durch geeignete Ausrichtung der Hochschulstrategien auf die Einwerbung befristeter Förderungen ausgebaut werden.

Neben der Konkretisierung von Handlungsbedarfen und Wirkungsabhängigkeiten für die wichtigsten Einflussfaktoren der Digitalisierung in der Hochschulbildung wurden ebenfalls Zukunftsszenarien abgeleitet. Diese sollen Orientierung darüber geben, wohin sich das öffentliche Hochschulsystem in den nächsten Jahren entwickeln könnte. Sie umfassen eine disruptive Entwicklung im Hochschulbereich durch Zurückdrängung der Präsenzlehre, eine evolutionäre Entwicklung durch verstärkte Inklusion von blended learning und eine Diversifizierung im Hochschulbereich, bei der Hochschulen unterschiedliche Profile – mit mehr oder weniger digitalen Bildungsangebot – weiterentwickeln.

Ansprechpartner

Justus Henke |

Zitation

Justus Henke / Norman Richter / Sebastian Schneider / Susen Seidel: Disruption oder Evolution? Systemische Rahmenbedingungen der Digitalisierung in der Hochschulbildung (HoF-Arbeitsbericht 109). Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität. Halle-Wittenberg 2019, 158 S. ISSN 1436-3550. ISBN 978-3-937573-67-0.

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